Außerirdischer Sex

Die A. erkannte das Haus aus dem Film, als der Hubschrauber vom Meer her kommend zu einer steilen Kurve ansetzte, so dass die weiße Villa zu ihrer Linken und direkt unter ihr zu liegen kam und sich langsam unter ihr hinwegdrehte. Die A. war nicht so aufgeregt, wie das ihre Freundinnen gerne gehabt hätten, aber ein bißchen Herzklopfen hatte sie doch, denn wer sich einmal darauf eingelassen hatte, dass die Realität eine Schimäre war und nach Belieben ausgewechselt und manipuliert und Weihnachtens verpackt und verschenkt werden konnte, der fand nie wieder auf jenen festen Boden zurück, auf dem der biedere Erdenbürger zu stehen meinte und auf den er alles und alle zurückholen wollte. Die A. betrachtete das weiße Schlößchen in der Sonne, auf das sie jetzt zuschwebte und vor dem sie den weißen Rolls Royce aus dem Film zu erkennen meinte, nebst einem Fahrer in Schwarz, der sich trotz seiner Schirmmütze die Hand über die Augen hielt, während er zu ihr heraufsah.
An den Film erinnerte die A. sich nur vage. Sie war nicht die Person, die sich für die letzten Fragen des Lebens interessierte, für das Woher und Wozu all dessen, was sich auf diesem Planeten ereignete, und so waren ihr nur die Bilder geblieben, die grandiosen Landschaften, die Flüge über die Alpengrate, die Welt der bunten Gleiter, aber auch an das Entsetzen jener Frau, als sie entdeckte, wer sie wirklich war und was die Zukunft für sie bereithielt. Sicher, sie war eine geiles Stück, dachte die A., und es geschah ihr schon recht. Sie bekam nurdas, was sie sich im Geheimen immer gewünscht hatte.
Aber was wußte sie über dieses Haus über dem Meer? Es war nicht viel. Jetzt, wo sie darauf zuschwebte und sich die Ereignisse beschleunigten, versuchte sie sich an die Geschichte zu erinnern, aber sie fand die Verbindung nicht. Was war es, was an diesem Haus so aufregend und so gefährlich war? Sie zermarterte sich das Gehirn. Sie konnte sich nicht erinnern. Je näher sie dem Gebäude kamen – und der Chopper setzte bereits zur Landung an auf dem Platz mit den geheimnisvollen Zeichen und die A. konnte sehen, wie der Wind des Rotors eine Schar Liegestühle durch die Luft wirbelte – je näher sie ihrer Bestimmung kam, desto mehr versagte ihr Cool und ihre überlegene Art und sie konnte über dem inneren Zittern nur mit Mühe die äußere Gelassenheit bewahren, als Triebwerke über ihr zu singen aufhörten, die Piloten ihre Gurte zurückschnappen ließen, sich zu ihr umdrehten und sagten: Madame, wir sind da. Ab jetzt sind wir nicht mehr für Sie zuständig.
Von dem Gebäude löste sich eine Gestalt. Es war eine Frau. In dem Wind, der vom Meer heraufwehte, mußte sie ihren riesigen Sonnenhut festhalten. Der Mann in Schwarz, die Hand über der Schirmmütze, blieb im Schatten des Hauses und sah herüber.
Die A. dachte zurück.
“Sie war vom Stern!““Schmarrn! Nur weil sie kahlgeschoren war und weil sie Elektroden auf dem Kopf hatte und weil diese Krankenschwestern um sie herumgeschwänzelt sind wie um eine Bienenkönigin, deshalb war sie noch nicht vomStern. Sie war die Verbindungsfrau, das schon, aber vom Stern war sie nicht.“ “Und woher war das Geld und die Villa und der Rolls und die Wohnung in München mit all diesen Spielsachen, mit denen sie sich und ihrem Helden das Leben zu zweit versüßte?““Es war nur ein Film. Vielleicht war’s geerbt, vielleicht auch gestohlen.“Die A. saß da, hilflos von einer ihrer weltgewandten Freundinnen zur anderen schauend, aber die redeten nur klug, wenn es nicht um sie selber ging. In Wirklichkeit waren sie hochgestylte Hasenbeinchen, die sich geil gaben, ihre Brüste hochsteckten und ebenso hochgestylten Boys mit ihren getuschten Wimpern zuklimperten, ihre Beinchen aber schlossen, sobald ein wirkliches Abenteuer drohte.
“Ich würd’s tun. Was kann dir schon passieren? Meinst du vielleicht, dass es Mädchenhändler sind oder dunkle Elemente oder weiß Gott was?““Ihr seid ein verdammtes Pack von Wichtigtuerinnen“, sagte die A.
Damit war die Stimmung beim Teufel. Die Freundinnen heulten auf, versuchten sich zu verteidigen, prosteten sich gegenseitig zu, was für kluge Köpfe sie doch allesamt waren und fielen gemeinsam über sie her, sie solle keine dummen Fragen stellen, wenn sie an der Antwort gar nicht interessiert sei. Sie solle tun was sie wolle. Im übrigen solle sie etwas mehr Sience Fiction lesen für den Fall, dass sie doch zum Stern verbracht werden sollte. Der Abend war ruiniert. Die Damen wurden unruhig und fanden alsbald einen Grund, die A. mit ihrer Entscheidung alleinezulassen.
Die Entscheidung war bereits gefallen. Die A. hatte nichts damit zu tun. Es war über sie entschieden worden.
Antiion sah hinunter auf den Planeten, der sich unter ihm hinwegdrehte, auf das Blau der Ozeane und das Blaubraun der Kontinente, und auch das blendende Weiß der Wolken hatte etwas Blaues: der blaue Planet. Antiion dachte nach. Terra war nicht seine Heimat, aber doch so etwas wie sein Geburtsort. War es seine Geschichte oder die Geschichte der A.? Diesmal würde der Meister aller Realitäten alles anders machen. Es sollte der Dame nicht zum Nachteil gereichen. Er dunkelte die Scheiben seines Schiffes gegen das blendende Licht. Auf den drei Bildschirmen vor ihm erschienen Bilder, die es auch in dem Film schon gegeben hatte. Er mußte an jene niedlichen Weltraumhäschen denken, die sich gelegentlich in seinen erotischen Gedanken verfingen und dann auf seinen einsamen Planeten eingeflogen kamen, um den großen Asketen zu besuchen.
Antiion würde der A. ein Bild schicken. Sie würde sich daran erinnern, obwohl sie es noch nie gesehen hatte. Die bunten Schirme spiegelten sich in seinen riesigen Augen.
Die A. erschrak. Rasch klappte sie die Zeitschrift wieder zu, ließ sie auf den Schoß sinken und versuchte gelangweilt über die Terrasse aufs Meer hinauszusehen. Sie hatten also recht, die verdammten Weiber. Die A. behielt den Finger in der teuren Broschüre, während sie nachdachte. Es mochte alles nur Zufall sein. Sie neigte sich vor und nippte eine wenig an ihrem Kaffee. Madame hatte sich entschuldigt. Die A. sah zu dem Herrenin Schwarz hinüber, der an der Türe stand, die Beine leicht gegrätscht und die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Er schien sich nicht für sie zu interessieren. Unbedarfte Zeitgenossinnen mögen sich täuschen lassen, dachte die A., indem sie die Seiten verstohlen noch einmal aufschlug, das Essentielle in den tiefen Schatten und das Erotische in den vornehm gedeckten Farben nicht entdecken, aber die Fotos waren gestochen scharf und zeigten in mehreren Ansichten, worauf die A. sich eingelassen hatte.
Der Herr in Schwarz stand stramm. Madame erschien wieder auf der Terrasse. Rasch legte die A. die Zeitschrift auf den Stuhl zu ihrer Linken. Sie hatte gesehen, was sie sehen sollte. Den Mann mit der Schirmmütze hielt sie für unbedeutend, der vornehmen Dame mit der undurchdringlichen Sonnenbrille hingegen, dem überdimensionalen Sonnenhut und der eleganten Art, ihn stets mit einer Hand gegen den Wind zu verteidigen, ihr sah sie so gleichgültig wie möglich entgegen. Emmanu-elle Arsan, dachte sie, hatte sie nicht erzählt, dass eine Freundin ihr erzählt habe, dass es so etwas gäbe, nichtwahr? Aber vielleicht war es auch nur erfunden. Wie geistesabwesend legte die A. eine Hand auf das glänzende Papier.
“Es tut mir leid“, sagte Madame, setzte sich und nahm die Tasse mit dem Kaffee wieder auf, der inzwischen kalt geworden sein mußte. “Das Geschäft“, sagte sie, “Sie wissen.“Die A. wußte, oder sie tat zumindest so. Ihre Gedanken waren ganz woanders. Kaum bemerkte sie die Händeder vornehmen Frau, als diese sie wieder ablenkte und ein neues Thema anschlug.
“Ihre Haare“, sagte sie, “sie sind sehr schön …“Die A. legte den Kopf ein wenig zur Seite und strich sich mit der Hand durch ihre feinen, glatten Haare. “Ich weiß“, sagte sie. Bilder aus dem Film, die sie nie verstanden hatte, stellten sich ein. Ob es Madame persönlich war, die sich damals unter der Haube mit den vielen Drähten und Elektroden auf den Flug hatte vorbereiten lassen? Aber die Szene war zu kurz und das Licht zu schummrig gewesen.
Oder hatte sich auch jene Szene schon auf diese Art und Weise zugetragen? Unfreiwillig warf die A. einen Blick auf die Zeitschrift.
“Sie kennen den Film?“ fragte Madame. “Es ist lange her“, sagte die A. “Ich erinnere mich nur dunkel.““Sie erinnern sich an die Schwestern?““Die Schwestern?“ Die A. versuchte sich unwissend zu stellen, aber ihre Stimme versagte für einen Moment, so dass sie sich räuspern mußte. Die Zeitschrift hatte keinen Zweifel daran gelassen, wer die Schwestern waren und was für eine Aufgabe sie hatten.
“Wir haben sie ausgesucht und ausgebildet.“Madame wußte also Bescheid. Dies war keine gewöhnliche Zeitschrift. Die A. war beobachtet worden.
Ein Erdenbürger hätte den Film für sein Werk gehalten, aber Antiions Welt war nicht die Erde, aber er war auch nicht jenes Überwesen, für das ihn ein Erdenbürgerhätte halten können, wäre er ihm unvorbereitet begegnet. Die Erdenbürger standen kurz davor, sich von der Bürde der Realität zu befreien. Sie schwelgten bereits in verwegenen Phantasien, auch wenn die verwegendsten davon noch nicht verwegen genug waren.
An was sich die A. nur dunkel erinnernte, waren zwei Damen, von deren erotische Aufgaben ihre Schwesterntracht kaum abzulenken vermochte. Der kleine OP befand sich im Untergeschoß des Hauses.
Die A. schlief schlecht. Sie träumte, dass sie einer Zwillingsschwester oder gar sich selbst begegne, einem Monsterweib, das sich einen Spaß daraus machte, ihre innersten Geheimnisse auszuplaudern. Sie wälzte sich im Schlaf, meinte die spöttischen Kommentare der beiden Schwestern in ihren falschen Kostümen zu hören. Vertrauen! Was für ein Wort angesichts dieser beiden Frauen! Sie sprachen von einem Lustkleid und lachten. Sie solle sich an ihren Schultern abstützen, sagten sie, aber die A. wollte diese Lust nicht. Das Kleid war glatt und kalt.
“Und wer soll dieser Antiion sein? Was macht er überhaupt in dem Film? Ich habe das nie verstanden.““Er holt sie ab. Er steuert alles. Sie hat sich in einer von seinen Geschichten verfangen -““- und zum Schluß holt er sie zu sich hinüber. Die Arme, was muß sie für Ängste ausstehen!““Sie ist ein geiles Stück.““Geil und arrogant. Sie kriegt es so, wie sie’s verdient hat.“Sanft schaukelten die Masten der Yachten, die Sonne brannte, das Weiß der Häuser war unerträglich. Eine Turmuhr schlug Zwölf. Die Leute mieden das Hell und suchten den Schatten und verschwanden in den schmalen und heimeligen Gassen.
Die A. hatte kein Auge für die Stadt. Sie schlug die Zeit tot, probierte ein Caf, las eine Illustierte. Von den Bilder nahm sie kaum Notiz. Der Rolls stand am Hafen. Es war ihr peinlich. Sie war nicht gewohnt, dass jemand auf sie wartete. Sie war nicht sicher, ob sie nur bedient, oder auch bewacht wurde. Es war zu heiß, um etwas zu unternehmen.
Die Flucht der A. war unüberlegt, panisch und kopflos. Die Luft war lau. Die A. trug nur das dünne weiße Hemdchen, in dem sie geschlafen hatte. Es gab nur eine einzige Straße. Die A. rannte so schnell sie konnte. Plan hatte sie keinen. Es war eine wunderbare Nacht. Der Wind, der stetig vom Meer heraufwehte, hatte die Wolken vertrieben. Noch nie hatte die A. den Himmel betrachtet. Sie war ein Kind der Stadt. Heute schien eine besondere Gefahr von ihm auszugehen. Sie wagte nicht, zu ihm aufzuschauen.
Wer Antiion war und wie er rechnete, entzieht sich der gewöhnlichen Schreibe. Seine Mittel waren nicht die Teraflops, mit denen sich die Menschen auf dem blauen Planeten brüsteten. Seine Rechnungen waren sanfter, weder zwangen sie ein Problem zu einer Lösung, noch empfand er das, was er berechnete, als ein Problem. Während Gödel unter den Mathematikern der Erde schon internalisiert war, etwas, das man ebensoverstand und zu bewundern verlernt hatte wie die komplexen Zahlen, hantierte der große Rechner in seinem Schiff mit dieser Unschärfe mit der gleichen Sicherheit, mit der die Physiker die Unschärfe des Heisenberg zu ihrem Vorteil zu nutzen gelernt hatten. Das Gewirr der Linien auf den drei Schirmen entflocht sich nur zögerlich. Tausende von Kanten folgten den Gesetzen des Teuvo, indem ihre Ordung in dem Maße zunahm, in dem sich die Oberfläche straffte. Antiion verbeugte sich im Geiste vor dem großen Finnen.
Dies war der Raum. Er war nicht besonders groß. Das Licht war genau wie im Film. Wahrscheinlich lag er unter dem Schlößchen. Die Haare waren bereits gefallen. Das weiße Hemdchen lag zerschnitten auf dem Boden. Die Schwestern bewegten sich emsig. Die A. mußte an Insekten denken. Irgendwo lief ein Lüfter.
Was für ein Bild mußte sie abgeben. Die Handschellen rasselten bei jeder Bewegung. Die A. schämte sich. Alles würde kommen, wie es kommen mußte. Sie war den Tränen nahe. Der Blick von Madame war unerträglich. Sie spürte den Drang, ihre Blößen mit den Händen zu bedecken. Die Handschellen empfand sie als besonders beschämend. Warum hatte sie fliehen müssen? Sie hielt ihre Hände so ruhig sie konnte. Madames Befehle waren leise. Sie wurden ohne Bestätigung ausgeführt. Die Schwestern brachten die Haube. Das Kleid lag bereit. Die A. dachte an das Heft auf der Terrasse. Wie war Madame doch zuvorkommend gewesen. Die Freundinnen hatten recht behalten.
Der weiße Rolls glitt vorbei. Die Damen unter der gestreiften Markise drehten die Hälse und wackelten mitihren Ohrgehängen. Das Geschnatter verstummte für einen Moment. B. bis D. waren sensibilisiert. Die Nobelmarke spielte eine Rolle in einem gewissen Film.
“So ein Zufall.“War das noch Verwunderung oder bereits Sarkasmus? Die noble Karosse wendete und versuchte ihr Glück auf der anderen Straßenseite. Das Geschnatter setzte wieder ein. Die Nacht war lau und wunderbar, man hätte die Sterne sehen können, aber dies war ein Boulevard und das Caf hatte seine Tische aufs Trottoir gestellt.
“Wie es ihr wohl gehen mag?“Pärchen flanierten, die Schickis schickten und die Mik-kis stellten ihnen nach, Eis wurde geschleckt, Ärsche wurden gewackelt und die Nabelfreien waren eine Schau. Emily war schon wieder vergessen. Der Mann in Schwarz erschien völlig unerwartet am Tisch der drei Damen. Diese Art von Uniform pflegte es nur noch in Filmen zu geben. Die drei waren überrumpelt. Es gab keine von jenen schnippischen Bemerkungen, mit denen sie die Welt zu überziehen pflegten. Der Mann nahm Haltung an und tippte mit dem Finger an den Schirm seiner Mütze. Welche von den dreien die B. sei, fragte er, und überreichte das Heft, das er unter den Arm geklemmt hatte.
Es war ein teures Heft aus Hochglanzpapier. Die B. nahm es entgegen. Danke, sagte sie, und schon tippte sich der Mann ein weiteres Mal an die Mütze und verschwand.
Die Berührung des Kleides erregte die A. Die Haube mitden kleinen Elektroden spannte sich über ihren geschorenen Kopf.
“Es erregt Sie“, sagte Madame.
Die A. wollte sich über die Handgelenke streichen, dort, wo die Handschellen sich eingeschnitten hatten. Sie traute sich nicht. Sie strich über das Kleid, so, wie sie glaubte, dass Madame es von ihr verlangte.
“Es erregt Sie“, wiederholte Madame etwas strenger. “Ja“, sagte die A.
“Sagen Sie, dass es Sie erregt“, sagte Madame.
“Es erregt mich.“Es war nicht die Berührung mit der Hand, die die A. erregte. Es war der Gedanke, es auf der Haut zu tragen.
“Worauf warten Sie?““Ich wette, der hat zu dem Rolls gehört!““Laß mal sehen!“Die B. blätterte bereits.
Unmerklich neigte sich die Bahn des Schiffes gegen die Pole. Es wäre nicht schicklich gewesen, die Menschen mit dem entsetzlichen Licht seiner Triebwerke zu blenden. Auf der Erde neigte sich der Widerstand der jungen Dame gegen das Unvermeidliche seinem Ende entgegen. Antiion verfolgte das Gewirr der finiten Linien auf seinen magischen Schirmen. Das Kleid war sein Meisterwerk. Noch nie hatte eine Frau ein sanfteres Stück erotischer Couture getragen.
“Es ist genau wie im Film! Sie muß es anziehen, aber sie schämt sich so!““Mei, was ist das geil! Ich könnte gar nicht schnell genug reinkommen in das Ding!““Weil du ein Schwein bist, eine Sau! Du machst die Beine auch so breit. Du brauchst das Ding gar nicht. Du hättest gar nichts davon!““Aber ich möchte darin gefickt werden. Es macht dir die Beine breit. Du brauchst sie nicht selber breitmachen. Kleiner Unterschied, oder? Blätter doch weiter!“Die B. fühlte eine geheime Verbundenheit mit der unglücklichen Frau. Die Geschichte würde ihren Lauf nehmen. Wer den Film kannte, der brauchte dieses vornehme Heft nicht. Aber die Damen mit den höheren Buchstaben drängten. Die geschäftigen Schwestern, deren Rollen als helfende Zofen oder gestrenge Völlstrecke-rinnen eines höheren Willens anhand der Bilder nicht unterscheidbar waren, die Unglückliche, wie sie einem unsichtbaren Zwang folgend das Kleid ihrer Lust anlegte.
“Obergeil.““Affengeil.“Blöde, instinktlose Zicken, dachte die B. “Kleid“ war bestenfalls ein Euphemismus, aber dieses Wort befand sich wahrscheilich gar nicht im Vokabular der anderen beiden Buchstaben. Es würde sich plustern, aufblasen, prall werden, seine wahre Gestalt annehmen, seine Trägerin biegen und spreizen, öffnen, wehrlos machen, den Blicken ausliefern, demütigen. Von Kleidoder Kleidsamkeit konnte keine Rede sein, aber auch der klugen B. fiel das richtige Wort nicht ein. Die Lust aber wollte auch sie nicht abstreiten. Ein wenig gedankenverloren schnippte sie einen Zeigefinger und seinen gefährlich langen Fingernagel aus und strich mit einer verräterischen Sanftheit über das glatte, kalte Material, aus dem das namenlose Kleidungsstück gefertigt war -oder vielmehr über das glänzende Bild desselben.
Erregt es dich?Es muJ3 nicht alles in direkter Rede wiedergegeben werden, was in einer Szene gesprochen wird. Dies gilt insbesondere für diejenige Rede, die nicht unmittelbar eingeordnet werden kann. Auch die B. blickte erstaunt. Es war nicht die Tonlage ihrer beiden Freundinnen. Die Erregung war zu vornehm, zu kalt, zu klinisch. Erregt es dich?Die kleinen bunten Linienstückchen hatten sich formiert. Der Druck nahm zu. Unerbittlich formten sie die Frau nach ihrem Willen. Das Schiff drehte sich. Seine Achse schnitt sich jetzt mit der von Terra. Die Ereignisse konnten ihren Lauf nehmen.
Natürlich erregte es sie, was für eine Frage? Aber es fehlte noch jene letzte affirmative Antwort, die die Frage zu verlangen schien. Die B. dachte an die Innenseite ihrer Schenkel.
Ja, es erregt mich.
Erschrocken zog sie den Finger und seinen gefährlichen Nagel zurück, aber es war schon zu spät. “Worauf wartest du?“ Die vornehme, kalte, klinische Erregungan der Innenseite der Schenkel ließ die B. das Weiter-blättern vergessen, potenziert durch die Gefahr, die folgenden Seiten könnten den Zustand noch verschärfen und ihn den Damen mit den höheren Buchstaben preisgeben. Die B. versuchte sich zu entspannen und so natürlich wie möglich zu atmen.
Tränen der Scham, Tränen des Glücks. Die A. ertrank in den Gefühlen, die keiner Ordnung mehr gehorchten. Ihre Gedanken waren nicht mehr die ihren. Keine irdische Frau hatte jemals diese Gedanken gedacht. Den Kopf konnte sie noch ein wenig bewegen. Sie spürte die tausend dünnen Drähte. Sie dachte an die Sterne. Mit einem Male entflammte ihre Liebe zu den Sternen. Sie hätte das Weltall umarmen können. Schnelle Schiffe, in denen sie das All durchstreifte, die Suche nach einem geheimnisvollen Planeten. Was oder wen sie suchte, die A. hätte es nicht zu sagen vermocht.
“Sieht aus wie die A.“Die Innenseite der Schenkel. Die A. heulte. Sturzbäche von Tränen liefen ihr über die Stirn und in die Haube mit den vielen kleinen Elektroden. Madame beugte sich über sie. Sie schien für die A. auf dem Kopf zu stehen.
“Kann nicht sein.““Doch, das ist sie!““Laß sehen!““Ich krieg einen Vogel!“Die Frauen steckten die Köpfe zusammen und vergaßen alles, was um sie herum vorging.
“Sie fliegt! Schaut sie doch an! Sie fliegt!““Mein Gott, was ist das schweinisch! Die Schwestern! Genau wie im Film! Schaut mal da!“In Wahrheit bedurfte es einer Menge Phantasie, um auf den vornehm dunklen Bilder überhaupt etwas zu erkennen. “Das ist das Schweinischste, was ich je gesehen habe.“Und tatsächlich konnten B. bis D. schemenhaft erkennen, wie sich die beiden Schwestern wie zu einer Operation über die gespreizte Frau beugten.
“Diese Säue! Ich halte das nicht mehr aus!“In Wahrheit lag das Geheimnis des Himmels, in den die Frau zu entschweben drohte, nicht allein bei den Schwestern, er war vielmehr eine Art Gesamtkunstwerk. Weder war es die Idee der einen, wie sie sich um die Brüste der A. verdient machte, noch lag es im Ermessen der anderen, der Geschichte zu ihrem Höhepunkt zu verhelfen, derweil sich das Schiff des großen Asketen mit der ihm eigenen Präzision den mittleren Breiten näherte.
“Das ist sie! Das ist die A.! Sie platzt fast vor Lust!““Fickt sie! So fickt sie doch endlich! Ich kanns nicht mehr sehen!“In dem kleinen Raum unter dem kleinen Schloß schlossen sich die Schotten. Ein Lüfter, den man leise hatte surren hören, erhöhte seine Drehzahl. Der Druck stieg. Madame streckte ihre Hand über die A., die schrecklichwar und unerbittlich und die sie der A. stets zu verbergen gesucht hatte. Die Schwestern traten zur Seite. Die Stunde der Erkenntnis war gekommen.
Der Mensch auf seinem blauen Planeten und der freie Wille. Die Verantwortung, die Schuld, der Stolz auf den Fortschritt, die unsägliche Jurisprudenz. Wie formte er seine Worte, wie bewegte er seine Hände, die er für besonders geschickt hielt, wie setzte er einen Fuß vor den anderen? Kannte er die Nerven und Muskeln? Was mußte er tun, um aus seinen Worten einen Satz zu formen? Er wußte es nicht. Er wußte gar nichts. Und doch glaubte er an die Freiheit seines Willens.
Das Licht der zölestrischen Maschine zerfetzte die Nacht. Schrecklich sengte es auf das kleine Schloß mit seinen geschlossenen Läden, auf den Platz mit den geheimnisvollen Zeichen, auf die Terrasse, die Liegestühle, das Meer, auf alles. Kein Auge hätte ihm standgehalten. Das Meer kochte. Alles, was nicht rein war, ging in Flammen auf. Mit der ihm eigenen Trägheit senkte sich das Schiff auf den Platz.
… dass die Realität eine Schimäre war und nach Belieben ausgewechselt und manipuliert und Weihnachtens verpackt und verschenkt werden konnte. Die drei Frauen in dem Caf lehnten sich zurück. Der Kaffee war kalt geworden. Gesprochen wurde nichts. Zahlen brauchten sie nicht, als sie sich erhoben, aus dem Schatten der gestreiften Markise in die sengende Sonne hinaustraten und zu dem weißen Rolls hinausgingen, der auf der endlosen Steppe auf sie wartete. Der Mann in Schwarz nahm Haltung an.
Als der vornehme Wagen am Horizont verschwunden und alles wieder still geworden war, entdeckte der Wind das Heft mit den geheimnisvollen Bildern. Er schlug es auf, blätterte darin und begann, den Staub der ewigen Steppe zwischen die Seite zu wehen.
Mit einer tiefen Verneigung vor Moebius und der Hermetischen Garage.



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